6. Stunde: Stillarbeit[1]
Frau Katja-Karina Klagenhof öffnet die Tür und ihr schlägt die übliche Welle von geschrienen Satzfetzen, Gelächter und übelst traktierten Möbeln entgegen. Für sie ist das jedes Mal die gigantische Monsterwelle von Lärm einer nicht beaufsichtigten Schülerhorde. Dagegen arbeitet sie mit der ultimativen Waffe. – Der Stillarbeit.
Die Stillarbeit steht und fällt dabei durch die Bereitschaft jedes einzelnen Mitglieds der Klassengemeinschaft, sich an die Regeln dieser Arbeitsform zu halten. Bei dieser Form der Schülerarbeit soll jedes Kind nur auf die vor ihm liegenden Aufgabenblätter oder Bücher achten und ganz still und für sich allein die ihm zugedachten Aufgaben bearbeiten. Diese kann zur Vertiefung und Festigung erlernten Wissens oder auch zur Vorbereitung des nächsten Arbeitsschrittes dienen. Außerdem bietet diese Unterrichtsmethode der Lehrperson eine kurze Ruhepause, in der für sie – zumindest war es früher so – kein Stress aufkommt, weil sie mal nicht reden oder sonst wie agieren muss.
Leider funktioniert diese in einigen Klassen überhaupt nicht mehr. Sollte man es trotz besseren Wissens in einer dieser Lerngruppen mit konventioneller Stillarbeit versuchen, dann ist der Lärm, der dabei entsteht, kaum zu ertragen. Mein/e geneigte/r Leser/in wird sich jetzt fragen, Lärm bei einer Stillarbeit? Ja, Lärm bei einer Stillarbeit. Denn für viele unserer lieben egozentrisch geprägten Prinzessinnen und Prinzen, deren Helikopter-Eltern ihnen jede Arbeit abnehmen und ebenso jeden Wunsch von den Augen ablesend sofort erfüllen, sind durch ihr Konsum- und Freizeitverhalten, was eigentlich dasselbe ist, so von einer sie umgebenden beständigen Geräusch-, Gesprächs- und Beschallungsglocke umgeben, dass sie das Nichtvorhandsein von akustischer Ablenkung als eine Art Bedrohung empfinden.
Diese akustische Leere scheint bei diesen jungen Menschen eine fast greifbare körperliche Gestalt anzunehmen. Dieses Monstrum der Ruhe versetzt bei diesen anscheinend alle Sinne in Alarmbereitschaft. Bei allen wandern die Augen schon nach Sekundenbruchteilen unruhig hin und her, suchen einen sich bewegenden Punkt, um so vielleicht diese unheimliche leise Situation durch die Aufnahme einer Bewegung zu kompensieren. Dabei sind die Mitschülerinnen und -schüler meist eine große Hilfe – man ist ja nicht allein diesem feindlichen Element ausgesetzt.
Da läuft zum Beispiel Angela-Abigail-Alina unerlaubt durch die Klasse auf Erich-Elmar-Ewald zu, weil sie bei ihm noch einen Stift oder ein Lineal oder was auch immer holen will, fängt – Gott sei Dank – mit diesem zu reden an und der, froh über diese ihn vor dem Grausen bewahrende Ansprache, versucht diese Situation möglichst in die Länge zu ziehen. Den Verweis des Lehrers, Ruhe zu geben, nehmen dabei beide gelassen in Kauf.
Dann fängt Otto-Oscar-Oliver in seiner bedrohlichen Lage leise zu singen an, um das böse Untier der Lautlosigkeit von sich abzuhalten, und muss von der Lehrperson von seinem Vorhaben abgebracht werden. Er aber ist sich sicher, dass er dadurch trotzdem einige Sekunden Lebenszeit gewonnen hat.
Ebenso scheint es auch Heike-Hilde-Helene zu ergehen, die, um den sich ihr mit rauchenden …
…wollen Sie wissen, wie die Geschichte weitergeht?
Freuen Sie sich auf mein nächstes Buch!
[1] Mein/e geneigte/r Leser/in, darf hier das Fach, die Klassenstufe und/oder die Bezeichnung ihrer/seiner Wahl oder ihres/seines Bundeslandes für diese Arbeitsform einsetzen. Weil es dieses Phänomen in jedem Fach, zu jeder Stunde geben kann und gibt.
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Dieses Phänomen ist mir auf meiner neuen Schule ganz und gar nicht bekannt, aber sie wissen ja Herr Athur A. Abraham wie es früher in meiner alten klasse war. SEHR SCHLIMM….